Vier Tage Kongress gingen heute zu Ende. In vier Stunden fahre ich weiter nach London, wo ich noch drei Tage verbringe, Freunde treffe und mehrere Veranstaltungen besuche.



Heute war ein weiterer Tag voller Höhepunkte, mit unterschiedlichen Meinungen und auch Kontroversen – wie sie in der Kunst zum Glück vorkommen. Wenn allen alles gefällt, wird es belanglos.
Persönliches:
Dank Apple habe ich meine Geldbörse wieder – nach einer langen Verfolgungsjagd durch Blackpool. So ein Tracker ist wirklich ein Wunderding! Die Details erspare ich euch, aber ich möchte es dennoch erwähnen, da mir so viele Hilfe angeboten haben, um wieder an Bargeld zu kommen. Danke!
Der Tag:
Eric Leclerc – Seminar
Der Moderator der Samstagabend-Show kommt aus Kanada und arbeitet dort als Comedian. Bereits bei der Gala begeisterte er das Publikum. In seinem Seminar erklärte er seine Strategien, um in ein Programm einzusteigen, präsentierte Gags und Ideen, die sich in eigene Shows integrieren lassen. Sein Humor ist manchmal grenzwertig, aber man kann ihm nicht wirklich böse sein. Ein großartiges Seminar!
Adrián Carratalá
Der sympathische und innovative Spanier, der Penn & Teller mit seiner Routine (Ring auf Schnürsenkel) beeindruckte, teilte großartige Konzepte und Routinen mit der Community. Sein Seminar war eine Mischung aus einem Vortrag über Kreativität und seinen Routinen – inspirierend und bereichernd. Nicht umsonst wurde Adrián von Penn & Teller engagiert, um mit ihnen an deren neuer Show zu arbeiten.
Arturo Brachetti
Für mich das absolute Highlight des Kongresses! Der fantastische Künstler hielt einen Vortrag über Quick-Change, dessen Geschichte und Entwicklung. Dabei zeigte er historische Clips und entwickelte gemeinsam mit dem Publikum die Dramaturgie eines Theaterstücks bzw. einer Show.





Arturo Brachetti hat Quick-Change zu einer eigenständigen Kunstform erhoben, die ihm sogar ein Engagement bei den Salzburger Festspielen einbrachte. Während andere Quick-Change-Künstler sich über Geschwindigkeit oder Anzahl der Verwandlungen definieren und dabei Dramaturgie und Theatralik vernachlässigen, hat Arturo die wichtigsten Theaterauszeichnungen erhalten. In Kreisen, die Quick-Change als Zirkusnummer belächeln, genießt er weltweite Anerkennung. Wo andere von uns gefeiert aufhören, fängt seine Kunst erst an. Denn außer schnell und bunt bleibt meist kaum etwas übrig.
Viele haben diesen großartigen Künstler verpasst. „Da gab es ja keine Tricks, sondern nur einen Talk“, hörte ich einige sagen. Sie haben etwas verpasst! Dieser Mann hatte so viel zu bieten.
Unsere Kunstform ist voller unterschiedlicher Menschen mit verschiedenem Geschmack. Der eine amüsiert sich bei Humor unterhalb der Gürtellinie, andere sind Technikverliebte. Ein großes Verdienst der Organisatoren ist es, diese Vielfalt zu präsentieren. Unterschiedliche Meinungen sind normal, aber Diskussionen über Geschmack sind sinnlos – da kann niemand „Recht“ haben. Am Ende entscheidet das Publikum.f
Was ich allerdings manchmal vermisse, ist Respekt! Ein besonders offensichtliches Beispiel war die Abendshow von Rick Thomas, die er mit großem Aufwand von Branson nach Blackpool gebracht hat. Rick Thomas hatte 20 Jahre lang eine erfolgreiche Show in Las Vegas, damals noch mit 15 Tigern und vielen Illusionen. Vor etwa zehn Jahren wechselte er nach Branson, der Familien-Show-Metropole, wo er nun erfolgreich in einem Theater auftritt und ein halbes Jahr durch die USA tourt. Er erhielt an diesem Abend in beiden Shows „Standing Ovations“.
Rick Thomas ist ein routinierter Oldschool-Showact – sehr amerikanisch, aber sehr gut gemacht und erfolgreich. Man muss diesen Stil nicht mögen, aber das Publikum war begeistert, sonst wäre die Reaktion nicht so positiv ausgefallen.
Was ich traurig finde: Es gibt Zauberkünstler, die ihn persönlich lächerlich machen, weil er älter ist, sein Stil „oldschool“ und seine Gags nicht mehr zeitgemäß seien. Dabei wird mit zweierlei Maß gemessen: Eric Leclerc brachte ebenfalls raue Gags, behandelte das Kind auf der Bühne härter als Rick Thomas und empfahl in seinem Seminar sogar den BH-Trick. Das fanden viele lustig. Ich hatte damit auch kein Problem. Aber bei Rick Thomas wurde moralisiert – über Gags, die dagegen harmlos waren.
Ich erinnere mich, als die Ehrlich Brothers mit ihren großen Shows begannen, wurde ich kritisiert, weil ich sie auf einem Kongress in Österreich engagierte und im „Aladin“ positiv über sie berichtete. Viele lästerten damals über ihren Stil, ihre Kunststücke, ihre Texte. Teile des MZvD griffen sie so stark an, dass sie den Zirkel verließen. Heute haben selbst die letzten Zweifler verstanden, dass die Ehrlich Brothers der Zauberkunst einen neuen Schub gegeben haben, von dem alle profitieren.
Ich wünsche mir, dass wir in unserer Community respektvoll miteinander umgehen. Man muss nicht alles mögen, aber persönliche Angriffe und Ignoranz gegenüber Erfolgen sind schade. Lästern kann manchmal spaßig sein, aber es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Große Künstler lassen das an sich abprallen. Es ist wohl so, wie Reinhard Mey es in „Mein Achtel Lorbeerblatt“ besingt:
„Also tu ich, was ein Baum tun würde, wenn ein Schwein sich an ihm kratzt. Und ich hör, was ein jeder zu sagen hat und schweig fein still, und setz mich auf mein Achtel Lorbeerblatt und mache, was ich will.“





Die Show von Rick Thomas war beeindruckend – das Lebenswerk eines erfolgreichen Künstlers, der den Sprung in eine neue Bühnenszene geschafft und sein Publikum gefunden hat. Er brachte eine großartige Show nach Blackpool, die bei 5.000 Zauberkünstlern echte, nicht forcierte Standing Ovations erhielt. Das war ein Risiko. Meine Meinung dazu sage ich öffentlich – auch wenn Freunde anderer Ansicht sind. Denn das gehört zu Freundschaft: Ehrlichkeit und Respekt. Das ist nicht immer einfach.
Der Abend klingt im Ruskin aus – bei Bier, Diskussionen und einer wehmütigen Abschiedsstimmung. Es waren großartige Tage in Blackpool: die Vielfalt der Shows, das Treffen mit so vielen kreativen Menschen, eine unglaubliche Messe mit neuen Entwicklungen und Profis, die jenseits der Zauberszene riesige Erfolge feiern. Das gibt es nur hier.



Ich werde wieder dabei sein. Vielleicht in einem besseren Hotel – oder vielleicht auch nicht. Denn auch das gehört zu Blackpool: die drei bis vier Stunden Schlaf in einem dieser legendären Hotels, die es wohl nur hier gibt.
Es ist 4 Uhr früh. In vier Stunden geht mein Zug nach London, wo ich abends den Magic Circle besuche. Als Gast nehme ich Alexander Krist mit – ich freue mich schon sehr. Am Dienstag besuche ich Simon Drake, der mir sein Mystery House zeigt. Ich werde darüber im „Aladin“ berichten. Zwei Musicals stehen noch auf dem Programm, dann geht es zurück nach Tirol. Auf was ich mich freue: Schlafen!




Eine unglaublich dichte Woche! Danke an alle, die geholfen haben – eure Hilfsbereitschaft hat mich tief berührt. Unsere Community ist großartig!
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