3 Stunden Schlaf, und das Programm geht weiter.
Ich wohne hier in einem echt lieben kleinen Hotel mit 6 Zimmer. Der Besitzer freundlich, wir sprechen französisch und es ist erschreckend, wie schnell man die Sprache vergisst, wenn man sie nicht ständig übt. Was ich an den FISM-Kongressen so liebe ist die Internationalität, der Gedankenaustausch und die Freundschaften, die sich hier entwickelt haben.
Der Freitag brachte Licht und Schatten in Bezug auf die Qualität.
Auch auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, aber das italienische Team ist nett, hilfsbereit und sehr freundlich. Es ist entspannt. Nicht überorganisiert und kompliziert. Man steht gemeinsam stressfrei an, nutzt die Zeit in der Schlange, um sich zu unterhalten anstatt – wie ich es leider in einigen Orten erlebt habe – sich unverschämt vorzudrängen. Gestern bei der Spagetti Nacht, gab es keinen Stress obwohl irgendwann die Spagetti alle waren. Aber wer muss um halb zwei nachts Spagetti essen, um nicht zu verhungern?
Am Morgen besuche ich das Seminar von Dani DaOrtiz. Ehrlich gesagt, gehen mir seine YouTube Clips auf den Geist, was er aber hier beim Seminar präsentierte war sympathisch, großartig und relaxed. Ein toller Künstler. Wer ihn noch nicht live gesehen hat, der soll sich zum deutschen Kongress in Lübeck bei Daniel Meyer anmelden, dort ist er einer der Stargäste.
Er zeigte die größten Wunder die und die Auflösung seiner Techniken war unterhaltsam und fast besser als der Effekt. Dass dahinter ein knallhartes Training über viele Stunden am Tag und viele Jahre steckt sollte man aber nicht vergessen. Seine Wunder kann man nicht so einfach kaufen mit einer DVD oder einem Seminarheft. Ein Höhepunkt in Saint Vincent.



Der nächste Höhepunkt stand aber direkt bevor. Armando Lucero, einer der unglaublichsten Close-Up Künstler aller Zeiten präsentiert 32-mal seine Show in einem kleinen Raum für max. 40 Personen. Karten und Münzzauberei mit Musik und Poesie präsentiert. Für Liebhaber der Zauberkunst ein fantastisches Erlebnis. Ich habe Armando 2003 in Den Haag bei den Weltmeisterschaften kennengelernt. Dort war er nicht engagiert, niemand kannte ihn, aber er ging herum und zauberte überall. Bald war er die Sensation des Kongresses und dichte Trauben von Menschen drängten sich um ihn um ihn zu erleben. Am selben Abend sprach ich ihn an und engagierte ihn für 2024 für den österreichischen Kongress. Armando lebt heute in Las Vegas. Kurz ich dem Weltkongress gab es einen Boom um ihn. jeder wollte ihn engagieren und sein Preis war enorm. Für einen Workshop verlangte er damals 4.000,– Dollar. Nach Österreich kam er um eine kleine Gage, denn ich buchte ihn bevor der Hype begann. Er war auch in Österreich eine Sensation und da er noch ein paar Tage in Tirol blieb verbrachte ich viel Zeit mit ihm, er führte mir sein Musterstück „Coin Menagerie“ am Hafelekar auf der Nordkette bei Innsbruck vor, wohin ich ihn schleppte. Er zauberte ununterbrochen. Was ihn auszeichnet ist, dass er einen auch noch nach Jahren kennt und mit Vornamen anspricht. Eine Gabe die ich auch gerne hätte. Er weiß noch alles von unserem Besuch in Innsbruck. Egal wo auf der Welt ich ihn treffe wir freuen uns immer beide.
Und hier ist er nun und zaubert für eine so kleine Gruppe. Er erzählt mir in der Bar, dass die Vorstellungen (da es viele Parallelveranstaltungen gibt oft schlecht besucht sind. So begleite ich ihn gleich einmal zur nächsten Vorstellung, wo er für 6 Zuschauer seine komplette Vegas-Show zeigt. 50 Minuten Zauberei mit viel Gefühl und Emotionen. Ich ertappe mich wieder einmal dabei, dass ich Tränen in den Augen habe und das Gefühl genieße einen Meister zu erleben. Wundervoll.
Wer das nun von den Kongressbesuchern liest, sollte alles stehen und liegen lassen und sofort die Gelegenheit ergreifen Armando zu sehen. Er ist noch zwei Tage hier.

Dann gehts zum Close-Up Wettbewerb. Diese Kategorie ist eigentlich für den kleinen Kreis gedacht. Eben am Tisch umringt von Zuschauern. Aber wie präsentiert man das auf einem Kongress? Man steckt den armen Künstler in einen Saal auf eine Bühne und überträgt auf große Leinwände. Seine wir uns doch einmal ehrlich. Was für ein Gefühl soll da aufkommen? Das persönliche Gefühl die Nähe fehlt vollkommen. Aber wir haben uns daran gewöhnt. Traurig, dass es Leute gibt, die lieber aus 70 m Kartentricks anschauen über eine Leinwand, anstatt drei Räume weiter einen der größten Close-Up Künstler aller Zeiten zu erleben. Aber offenbar sind wir schon so darauf konditioniert, dass wir gerne auf ein Display oder eine Leinwand glotzen.
Aber der Wettbewerb ist ausgezeichnet besetzt. Ich sehe nicht alle Acts, aber es gibt großartige Programme: Robin Deville aus Frankreich zeigt eine Rot / Blau Rückseitenroutine mit Karten mit zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten. Großartiges Konzept und Präsentation!!!
Martin Hanson zeigt seine Geschichte von einem depressiven Clown den Clown Nasen wahnsinnig machen. Er arbeitet seit Jahren an dieser Routine. Rune Carlson zeigt eine unglaubliche Routine mit einer Pillendose, mit der er schon bei Pen & Teller in Las Vegas war. Eine der besten Programme des Abends, auch wenn die Schönheit des Kunststücks über den Bildschirm nicht rübergekommen ist. Adrian Carratala & Katherine brillieren mit einer unglaublichen Vorhersage des Davids von Michelangelo usw. Man kann sagen Close-Up ist wesentlich stärker hier in Italien vertreten. Und wir haben ja noch Tage vor uns. Heute könnte es aber schon sein, dass wir einen Preisträger gesehen haben.
TED-Talks
Es gibt hier überall so viel Programme, ich sehe heute auch einen Ted-Talk mit Topas, Simon Pierrot, Christian (Cardshark) und Walter Rolfo. Das Thema ist digitale Zauberkunst und die Rolle der KI in der Zukunft der Zauberkunst. Ein spannendes Thema und etwas das vielleicht wichtiger wäre anzuschauen als den 231. Kartentrick. Das ist doch das Wesen eines Fachkongresses, dass man sich darüber unterhält, wie sich der Beruf und die Kunst weiterentwickelt. Wo die Chancen liegen.
Walter Rolfo der TV-Produzent ist und auch an der Uni zu Marketingvorlesungen haltet hält ein Plädoyer für die Qualität der Zauberkunst. Wie wollen wir gesehen werden? Hochklassisch oder einfach und billig? Wenn wir hochklassig sein wollen, dann müssen wir auch entsprechend agieren. Die Chancen die heute z.B. KI jedem gibt sind unglaubliche Tools.
Simon Pierrot hat sich als IPAD-Zauberkünstler eine große Fangemeinschaft aufgebaut und ist beruflich unglaublich erfolgreich. Er kommt direkt von einem großen internationalen Kundenkongress her nur um sich anzuschauen, wohin sich die Trends entwickeln. Die Entwicklung seiner Onlineshows für Firmenkunden ist faszinierend. Und er ist ein unglaublich netter Mensch, der uns seinerzeit beim 3-D Aladin unterstützt hat. Wir essen in einer Pizzeria zu Abend und zeigen uns keine Kartentricks, sondern sprechen über die Familien und en Stellenwert. Er hat mit seinem Partner 2 Kinder und die sind in einem supersüßen Alter. Nicht nur Zaubertricks müssen immer das Hauptthema sein.
Christian (Cardshark) spricht offen und ehrlich über die Zauberbranche an Händlern und Kreaturen. Da nimmt er sich kein Blatt vor den Mund. Ein toller kurzer improvisierter TED. Talk.
Bühnenwettbewerb II Teil:
Um 20:15 gehts in der großen Kongresshalle wieder mit dem Wettbewerb weiter. Wer gehofft hat, dass am 2. Wettbewerbstag das Niveau besser wird, wird enttäuscht. Viele mittelmäßige Nummern ein paar schlimme und wenig Gutes. Dazu ist die Atmosphäre in dieser großen Halle schwierig für die Künstler. Alle sind müde, keine Begeisterung kommt auf, man hat ja schon so viel am heutigen Tag erlebt. Applaus ist schwach, da kann sich der Veranstalter noch so bemühen die Pausen zwischen den Nummern mit lauter Musik, einem Quiz bzw. Online Voting zu füllen.
Was war nun sehenswert?
Die Deutschen hatten einige Nummern im Programm. Alexander Krist trat in Mentalmagie an. Er zeigte 2 sehr starke Vorhersagen, über die ich gar nicht weiter nachdenke, um mir Kopfweh zu ersparen. Er ist ein Meister der raffinierten Täuschung.
Gonzalo Albinana aus Spanien zeigt das Thema Depression und Angst sehr stimmig mit dem Käfig, in dem man steckt. Er verschwindet und erscheint. Gut inszeniert, leider etwas dunkel. Wir werden ihn in Bad Aussee erleben.
Tim Oelbrandt aus Holland zeigt eine wunderschöne Routine rund um Kugeln einer Kugelbahn stimmig inszeniert. Vielleicht wenig Zauberei aber großartig!.
Magic Maxl überrascht mich immer wieder. Er schafft es vom Lausbuben zum jungen Zauberer zu werden, daran sind schon viele gescheitert, eine lustige Nummer sehr gut präsentiert.
Weltmeister Artem Shchukin übrrascht mit einer neue Comedynummer. Sehr professionell mit viel Tempo.
Cassis aus Deutschland zeigt Manipulationen mit Blättern von Bäumen. Schön dargeboten ruhig, zu ruhig vielleicht für die erschöpften Zuschauer es geht gegen 1 Uhr nachts zu…… Aber das Urteil fällen die Juroren und die sind hellwach. Alvaro Cortez präsentiert ein Programm mit Tauben. Sehr originell und mit Überraschungen. Aber Tiernummern finde ich heute nicht mehr zeitgemäß, obwohl ich kein Purist bin und ich der Meinung bin, dass eine Taube bei einem Zauberer ein paradiesisches Leben hat, verglichen mit einem Masthühnchen, das wir uns ohne große Gedanken einverleiben. Die Welt ist seltsam…
Einige Nummer dürfte nicht hier sein. Was Bloomy aus der Schweiz bei einer Weltmeisterschaft verloren hat, verstehe ich nicht. Man tut einem Kind bzw. Jugendlichen nichts Gutes. Er mag sich vielleicht weiter entwickeln, aber mit der Nummer hätte er wohl kaum eine Möglichkeit bei einem lokalen Jugendkongress. Dass der Vorhang nicht zu ging ist wohl dem guten Herz einiger Juroren zu verdanken.
Das Publikum schüttelte nur den Kopf um mich herum. Dieses Schicksal blieb auch einem Comedy Act von Oliver & Liuba erspart, der fürchterlich war. Ich spreche dabei nicht von schlecht, davon gabs auch noch andere, aber solche Programme gehören nicht zur FISM Euro. Ein sehr bekannter Profi, war danach im Gespräch mit mir sehr enttäuscht. Das wirkt hier nicht wie die Europameisterschaft der FISM.
Ich weiß schon, dass ich mir mit solchen Aussagen keine Freunde mache, aber ich finde es besser ehrlicher hier das zu sagen was andere sich nur denken und hinter vorgehaltener Hand besprechen.
Denn von schlechten Acts sind nicht nur kleinere Länder betroffen, sondern auch große Nationen. Dies mag im System der FISM liegen, der durch die derzeitige Zulassung für jeden FISM Verein Teambuillding eine gemeinsame Nominierung eines Landes mit mehreren FISM Vereinen erschwert.
Auf die Spagetti Party heute verzichte ich, sondern ich schreibe noch diese Eindrücke, es ist inzwischen 02:50 und um 09: möchte ich Xavier Latimer aus Las Vegas anschauen. Der frühere Cirque du Soleil Star, der jetzt mit einer eigenen Show in Vegas auftritt, sein echtes Geld aber mit YouTube Clips verdient.
Ich melde mich wieder!!
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