Im Land der Träume – Freitag, 14. Februar 2025

Im Land der Träume – Freitag, 14. Februar 2025

Epilog:
Nach nur wenigen Stunden Schlaf klingelt um 4:30 Uhr das Telefon. Ich schrecke hoch und weiß im ersten Moment nicht, wo ich bin. Der beißende Geruch eines modrigen Kellers hilft mir, mich zu erinnern: Ich bin in Blackpool, im Tiefparterre meiner abenteuerlichen Lodge. An Schlaf ist nicht mehr zu denken.
So muss es im Dschungelcamp sein schießt mir durch den Kopf.

Dann ein Anruf von Andreas Sucker, der offenbar die Präsidentensuite in der Lodge gebucht hat und mir dieses Etablissement empfohlen hat. „Hast du Zahnpasta?“ fragt er. Mein Gepäck, das wohl genau wusste, wohin es nicht wollte, hat sich in Frankfurt entschieden, nicht nach Blackpool zu fliegen. Wer kann es ihm verübeln?

Ich klettere aus dem Außenkeller nach oben und betrete das Haus. Eine wohlige Wärme empfängt mich – hier oben wird offenbar geheizt. In der Hand halte ich eine Tube Elmex. Ich wundere mich, denn Andreas hatte sich doch gestern extra eine Notfall-Zahnbürste und Zahnpasta gekauft. Doch seine Englischkenntnisse haben ihm einen Streich gespielt: Erst als er den Mund voller Haftcreme hatte, bemerkte er seinen Fehlkauf. Die nächste Stunde lispelte er und versuchte verzweifelt, die klebrige Masse loszuwerden. Wieder ein skurriles Kapitel in Blackpool.


Der Kongress:
Das Kongresszentrum wird von Tausenden zauberbegeisterten Besuchern gestürmt. Im Gegensatz zu den deutschen Touristen, die in Österreich beim Skilift vordrängeln und über die Skier trampeln, sind Engländer wahre Meister im Anstehen. Selbst wenn nur zwei Leute vor einem Lokal stehen, fragt man sich: „Where does the line starts?“ Sehr angenehm! Nach Andreas‘ Fehlkauf übersetze ich ihm sicherheitshalber alles ganz genau.

Ständig stolpert man hier über Bekannte, die man jahrelang nicht gesehen hat. Der Hauptandrang gilt der Messe, wo Trick-Erfinder, Equipment-Hersteller und Techniker ihre neuesten Kreationen vorstellen. Über 150 Firmen sind vertreten, von der Großillusion bis hin zu Konfetti. Kreative aus aller Welt demonstrieren hier ihre Ideen – von unbrauchbarem Krimskrams bis hin zu genialen Konzepten und kunstvoller Handwerkskunst. Hier gibt es wirklich alles.

Ein paar Eindrücke:
Für die „Muggels“ unter den Lesern: Auch Zauberer lassen sich gerne illusionieren. Wer glaubt, dass man mit dem Kauf eines Tricks automatisch eine gute Show liefern kann, irrt. Das Geheimnis eines Kunststücks ist oft weniger wichtig als die harte Arbeit, die es braucht, um die Täuschung perfekt und unterhaltsam zu machen.

Hier trifft man unglaubliche Künstler, die ihre Kreationen mit Perfektion präsentieren – live und unter den kritischen Augen ihrer Kollegen. Manche erklären sogar ihre Effekte, und nicht selten ist die Lösung faszinierender als der Trick selbst. Es ist wie bei einem Eisberg: Das, was das Publikum sieht, ist nur die Spitze, 90 % bleiben unsichtbar unter der Oberfläche.


Seminar: Blake Vogt
Der junge Zauberkünstler, der Effekte für David Blaine und David Copperfield entwickelt, spricht über seinen kreativen Prozess. Sein Geheimnis: Jeden Tag zehn Ideen aufschreiben – egal, ob gut oder schlecht. Nach einer Woche sind es bereits 60, nach einem Monat 240. Dann werden die Ideen geprüft, kombiniert und diskutiert. Kreativität auf hohem Niveau bedeutet harte Arbeit, nicht das Warten auf einen Geistesblitz.

Gemeinsam mit den 800 Zuschauern wird eine Liste von Gegenständen gesammelt, reduziert und verknüpft, um eine neue Routine zu erschaffen. Blake ruft dann live einen bekannten Zauberer an, der ebenfalls für Copperfield gearbeitet hat, und holt sich Feedback. So entstehen neue Ideen in Echtzeit. Es ist eine Demonstration, die den kreativen Prozess perfekt veranschaulicht – und nebenbei sehr unterhaltsam ist.

Zuletzt entwickelt das Publikum in nur 20 Minuten eine Routine mit einem Kondom und einer Münze – eine echte Herausforderung! Aber gegen einen Saal voller männlicher Zauberer wirkt selbst eine Gruppe Kinder harmlos.


Abendshow: Cody Fisher (USA)
Cody Fisher ist ein Zauberkünstler, der auf Business-Events und Kreuzfahrtschiffen auftritt. Seine Show kombiniert Comedy mit praktischer Sprechzauberei. Viele kennen ihn gut, da er auch Tricks und Konzepte für andere Magier entwickelt. Seine einstündige Show war unterhaltsam, aber da ich alle Effekte bereits kannte, fühlte es sich eher wie eine Verkaufsshow an – denn alles, was er vorführte, ist auch in seinem Shop erhältlich.

Die Alternativen waren allerdings nicht vielversprechender, wie mir andere erzählten. Zauberkunst bleibt eben Geschmackssache. Der Veranstalter punktet jedoch mit einer riesigen Vielfalt an Events, vor allem mit Künstlern, die man noch nicht kennt.


Die Galashow
Das Abendessen fällt aus – die Fish and Chips liegen mir noch schwer im Magen. Also geht es direkt in die Galashow im 3.000 Zuschauer fassenden Opernhaus.

Die Show war fantastisch! Max Fulham, der vor zwei Jahren mit seiner Bauchrednerkunst das Publikum begeisterte, moderierte erneut mit britischem Humor. Besonders lange Ansagen machte er für Artem Shchukin, der wegen Visaproblemen nicht anreisen konnte – ein ärgerliches Kapitel des Brexits.

Höhepunkte des Abends:

  • Dom Chambers begeisterte mit einer Bühnennummer, in der er scheinbar endlos volle Biergläser produzierte.
  • Francesco Della Bona präsentierte meisterhafte Manipulationen mit Bällen und Karten.
  • Juan Mayoral übergab seine legendäre Nummer offiziell an Cyril und verabschiedete sich damit von der Bühne.
  • Enzo Weyne, bekannt von „The Illusionists“, verblüffte mit innovativen Großillusionen jenseits der Standards.

Nach zehn Stunden harter Zauberkunst gab es zum Abschluss Standing Ovations von einem Fachpublikum. Ein mehr als verdienter Lohn!


Ausblick auf heute:
Der Geruch von Fish und Chips weckt mich auf. Meine Kleider riechen nach Fish und Chips und erinnern mich daran dass ich in England bin.
Der Samstag hält wieder zahlreiche Seminare und Shows bereit. Besonders spannend: der Wettbewerb „The One“ auf der Opernbühne. 100 Zauberer haben sich beworben, sechs stehen im Finale. Der Gewinner erhält 30.000 Euro – doch niemand weiß im Voraus, wer antritt. Spannung garantiert!