Die österreichische Zauberszene – ist die Zeit an uns vorübergegangen?
Vor Kurzem ist mir ein Satz Aladin Hefte von 1946 unter die Finger gekommen. Aladin ist das seit 1946 erscheinende Zauberjournal der österreichischen Zauberszene. Herausgebracht vom Magischen Klub Wien und dem Redakteur Anton Stursa hat das Journal viele Stationen durchlebt. Heute ist der Magische Ring Austria Herausgeber.
Neugierig habe ich mich daran gemacht, über 70 Jahre österreichische Zaubergeschichte Revue passieren zu lassen. Dabei sind mir besonders die Vorworte des damaligen Präsidenten des Magischen Klub Wien, Hans Trunk, ins Auge gesprungen.
Zum Thema neue Tricks und Bücher schrieb er 1947:
„Die Anzahl der in den letzten zwanzig Jahren in Büchern, Zeitschriften, Abhandlungen und nicht zuletzt bei den Händlern erschienenen Neuigkeiten ist mit zwanzigtausend eher zu niedrig als zu hoch gegriffen. Schaltet man alle Kartenkunststücke, die nur bei Tisch vorgeführt werden können und das vollkommen wertlose Zeug, das als „Neuheit“ serviert wurde aus, verbleiben noch mindestens 5.000 brauchbare, Kunststücke. Aber wir sehen auf der Bühne mit geringen Ausnahmen immer wieder nur dieselben Sachen …
Ihr Herren mit den ewigen Federblumenbuschen und mechanischen Zaubermaschinen, die im Zeitalter der Atombombe wahrhaftig keine Existenzberechtigung haben, habt ihr Herren wirklich noch nie darüber nachgedacht eure Darbietungen auf ein künstlerisches, den Anforderungen der Jetztzeit entsprechendes Niveau zu heben?“
Was würde wohl Herr Trunk heute denken, wenn er über eine Händlermesse gehen würde, und sich danach die Zirkelgala anschaut? Die obigen Zeilen könnten wohl auch in einer Zeitschrift von 2014 stehen und hätten nichts von ihrer Aktualität verloren.
Über historische Zauberkunststücke schrieb Trunk1949:
„Magie ist wohl eine Kunstsparte, die sich den jeweiligen Zeiterfordernissen anpassen muss und am Überkommen aus falsch verstandener Tradition nicht unbedingt und bedingungslos festhalten darf.
Es gibt nicht viele Kunststücke, die, um die Jahrhundertwende oder noch früher erdacht, heute noch Kunstwert haben und gezeigt werden dürfen, ohne sich nicht mit dem Odium des Lächerlichen oder gar Kindischem auszusetzen.“
Wie Up-To-Date sind unsere Programme? Nehmen wir Rücksicht darauf, dass inzwischen ganz neue Technologien in unser Leben gekommen sind, die manche Effekte von früher reizlos machen?
Über Zauberkunst schrieb er 1954:
„Höre ich das Wort Zauberkünstler, läuft es mir kalt über den Rücken, denn ich sehe einen mit Flitter und Tand be- und überladenen, lang- und spitzbärtigen Menschen vor tief behangenen Tischen an unmöglichen Apparaten herumhantieren. Zauberei, Zauberkunst und Zauberkünstler sind Bezeichnungen, die heutzutage überholt sind, denn wir zaubern nicht, wir täuschen und nehmen schon durch diese Bezeichnung unserem Zuschauerkreis eine spitze Waffe gegen uns aus der Hand.“
Dass Trunk nicht nur zu anderen kritisch war, sondern auch sich selbst gegenüber, bewies er, als er sein Amt als Präsident des Magischen Klub Wien zurücklegte, im Aladin:
„Im Wirtschaftsleben, besonders in der Privatwirtschaft ist es üblich, dass leitende Funktionäre mit Erreichung einer bestimmten Altersgrenze sich zurückziehen und ihre Agenden jüngeren Kräften überlassen. So ist es absolut unwichtig, ob der Obmann eines Sparvereins vierzig, fünfzig oder siebzig Jahre alt ist, da er ja nur darauf achtet, dass die Mitglieder brav sparen.
Ganz anders ist es aber einen Klub zu führen, der sich künstlerische Tendenzen zum Ziel gesetzt hat. Hier hat der Vorsitzende die Verpflichtung, seinen Verein zu fördern. Dem hat aber die Natur eine entsprechende Grenze gesetzt. Hier setzt die Selbsterkenntnis ein, was nicht heißt, dass der bisherige Vorsitzende die Hände in den Schoß legen muss, aber er räumt den Platz für einen Jüngeren.“
Das Studium älterer Zeitschriften bietet köstliche Einsichten in die damalige Zeit und zeigt, dass die Grundprobleme sich über die Jahre nicht verändern. Es geht im Wesentlichen immer um dieselben Themen: Kunst, Veränderung, Alter versus Jugend.
Das gilt nicht nur für Österreich. Es ist international.
Der Jugend gehört die Zukunft. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, sie machen zu lassen, eventuell auch Fehler.
Trunk hat es sehr schön beschrieben. Allein das Vorhandensein von Galionsfiguren, die wir mit den Füßen nach vorne aus dem Klublokal tragen müssen, kann hemmen. Das Übertragen von Verantwortung setzt voraus, dass es junge Menschen gibt, die das tun. Vielleicht werden wir auch unsere Begriffe zu Zaubervereinen neu überdenken müssen. Die Zauberkunst lebt sehr oft in der Vergangenheit. Das ist nichts Schlechtes an sich, man lernt sehr viel daraus. Wichtig ist jedoch, dass wir nicht in nostalgischer Erinnerung schweben, sondern diese Kunst der heutigen Gesellschaft und dem neuen Publikum anpassen. Warum sehen die Leute lieber einen Mentalisten und keinen Zauberer? Trunk hat es bereits vor vielen Jahren realistisch gesehen.
Ein schönes Beispiel, dass es auch anders geht, ist der im September 2014 abgehaltene Jugendworkshop in Österreich. Er wurde von einer Gruppe junger einheimischer Zauberkünstler hervorragend organisiert. Die „Alten“ haben sich mehr im Hintergrund gehalten, haben ihr Wissen unaufdringlich zur Verfügung gestellt. Aber die Macher war eine kleine Gruppe von Jugendlichen. Sie sind noch vorsichtig, und manchmal für Jugendliche konservativ, aber Verantwortung zu übernehmen und Mut zu haben, muss man auch lernen.
Jugendliche aus der Schweiz, Österreich und Deutschland trafen einander 3 Tage in St. Pölten mit tollen Seminaren von Axel Hecklau, Martin Hader, Pit Hartling und Marc Haller.
Während der Dachverband MRA kaum mehr Vereine findet, die einen österreichischen Kongress ausrichten wollen, zeigt eine kleine Gruppe von Jugendlichen, dass man dazu in der Lage ist, wenn man sich engagiert. Da muss man keine Angst vor der Zukunft haben. Sie werden anders sein, die Kongresse, manche werden schimpfen und ihr Gratiswürstchen vermissen, aber die Zauberkunst wird profitieren und es wird neu und aufregend werden.
Dieser Artikel erschien in der MW 2014/6 schlecht lektoriert, deshalb hier nochmals in leicht abgeänderter und korrigierten Form
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