Der Tag begann sehr früh, musste ich doch noch den Blog für Freitag fertig machen. Danke für die vielen Rückmeldungen. Dass ich dies mache, hat zwei Gründe: Erstens freue ich mich, selbst wenn jemand zeitnah online über eine Zauberveranstaltung berichtet, wo ich selbst nicht war. Zweitens ist es für mich eine Gedankenstütze für Berichte, die ich für unsere Fachzeitschrift beschreibe. Da auch viele Muggel diesen Blog lesen, schreibe ich hier auch nicht über Themen, die Methoden, Tricktechniken etc. behandeln. Die findet man in der übernächsten Ausgabe des Aladins, die nächste ist ja bereits in Druck.
Es war ein eher ruhiger Tag. Das Programm war wieder vielfältig, aber ich übte mich in Selbstdisziplin und besuchte nur sehr wenige Programmpunkte.
Close-up Gala
offenbar Mitglieder des lokalen Magischen Zirkel zeigten eine Close-up Gala, die an das hohe Niveau des Kongresses nicht mithalten konnte. Auch die Präsentation der 5 Künstler war unüberlegt.
Close-Up bedeutet doch Zauberei in unmittelbarer Nähe zum Publikum. Durch Videoübertragungen geht viel vom Charme dieser Zauberkunst verloren. Aber bei einem Publikum von 500 Personen, sieht man zumindest was passiert. 4 Tische in einen großen Saal zu stellen funktioniert eben doch nicht. Ich konnte mich nicht beklagen, denn ich saß in der zweiten Reihe, aber von weiter hinten konnte man nichts mehr sehen. Was in dem Fall nicht von Nachteil war. Man sollte den Mantel des Schweigens über diesen Programmpunkt breiten.
Axel Adler Seminar
Axel ist ein junger schwedischer Künstler, der in der Freitag Abendgala mit einer sehr stimmungsvollen Nummer überzeugt hat. Hier im Seminar erklärt er ein Kunststück mit einem Seil. Da er keine Seminarunterlagen hat ist es kaum möglich, diese Routinen später einzustudieren. Man bekommt doch Ideen und Anregungen. Und man darf nicht vergessen, dass in der Leichtigkeit der Routine sehr viel Arbeit liegt. Man kann es – Gott sei Dank – nicht einfach nachmachen.
Axel erzählt von seiner heutigen Arbeit, die in die Zirkuswelt gebracht hat. Er bewegt sich weiter weg von der Hardcore Zauberkunst zu künstlerischen Theaterkonzepten.
Die Resonanz des Publikums war gemischt. Manche vermissen fehlende Unterlagen, andere interessiert der Künstler nicht, sondern man möchte etwas lernen. Ich persönlich bin mehr an dem Künstler interessiert als an seinem Trick. Auch wenn seine Routine noch so gut ist, gibt es doch schon genügend Quellen, wo man so etwas finden kann. Bücher lesen hilft, denn es sind 100-te Publikationen dazu erschienen.
Das Publikum in Blackpool
Das ist hier sehr gemischt. Vom Profi, zum ambitionierten Amateur bis zu völlig unbeleckten Zauberfreunden, die wenig Ahnung von der Materie haben, aber mit Begeisterung Zauberei privat betreiben oder es tun wollen. Gemeinsam ist, dass wenn man sich mit Ihnen unterhält, man in vielen Fällen den Eindruck vermittelt bekommt, ein erfolgreiches Genie vor einem zu sehen. Selbsttäuschung ist wohl eine der beliebtesten Illusionen unter uns Zauberer.
Alte und neue Freunde!
Für mich sind die Gespräche mit Zauberfreunde am wertvollsten.
Ich habe Gespräche mit einigen sehr spannenden Künstler, Autoren von neuen Zauberbüchern bis hin zu Erfindern und genialen Handwerker, die Requisiten herstellen. Für den Aladin bekomme ich einige neuen Beträge und die Erlaubnis zum Abdruck manchen Routinen. Man begegnet hier bekannte Künstler, das Klima ist in vielen Fällen sehr freundschaftlich und wertschätzend. Die Zaubergilde ist doch eine Gruppe, die eine seltsame Verhaltensauffälligkeit verbindet. Wir sind Kinder geblieben!
1997 fand die letzte FISM-Weltmeisterschaft in Dresden statt.
Dort lernte ich unter skurrilen Umständen einen indonesischen Zauberer kennen, mit dem wir sehr viel Spaß hatten. Unvergessene Erlebnisse verbinden mich, Thomas Huber, Jürgen Peter und Chan aus Indonesien. Er sitzt hinter seinem Händlerstand und bietet in Holz gearbeitete schöne Requisiten an, die er selbst herstellt. Wir erkennen uns trotz der Jahre sofort. Vielleicht auch ein Zeichen, dass das Sehvermögen nachlässt? 😉
Das sind so Momente die einen Kongress besonders machen. Kennengelernt habe ich Chan um 02:00 früh bei McDonalds in Dresden. Der Zufluchtsort der Zauberbegeisterten, die sich mit Sperrstunden nicht abfinden wollten. Auf einem Tisch steht ein hagerer Asiate in Unterhose, sonst vollkommen nackt und zeigt eine Kreation, die er erfunden hat. Mit bloßen Händen lässt er Leuchtstoffröhren erleuchten. Um zu beweisen, dass er dieses Kunststück nicht mit den üblichen Hilfsmitteln vorführt, hat er sich seiner Kleider entledigt. Um den Tisch stehen johlende Zauberer!! Was für ein Bild. So haben wir uns kennen gelernt.
Seine Erfindung hat er uns, seinen neuen Freunden, nach den 6 Tagen Kongress und durchzauberten Nächten geschenkt. Während mein Freund Jürgen Peter es sofort baute und damit ahnungslosen Zuschauer Elektroschocks verpasste, habe ich mich nie getraut diesen Effekt vorzuführen. Da ich schon damals im medizinischen Bereich arbeitete, dachte ich immer an die Konsequenzen, wenn man einen Zuschauer mit Herzschrittmacher diesen Scherz spielt…
Diese Erfindung versuchte Chan damals zu vermarkten. Er erlitt jedoch ein Schicksaal die viele Erfinder trifft. Ein bekannter Mentalist kopierte seine Erfindung und vermarktete sie weltweit. Respekt vor geistigem Eigentum ist leider auch bei manchen Kollegen verloren gegangen. Hier trennt sich der Spreu vom Weizen. Künstler oder Respektlosigkeit?
Back to Blackpool!
Abends besuche ich die Show von Ben Hart. Er hat ja bei seiner „Vorlesung“ seines Seminars das Publikum gestaltet. Beim Thema: „Vom Nichts zur Show“ las er aus seinem Skriptum vor wie eine Show entsteht. Tolle Gedanken!
Ich war sehr neugierig, ist Ben Hart doch in England sehr bekannt und tourt mit seiner Show bis in die Westend Theater in London.
Die erste Überraschung war der Aufbau. Der normal bestuhlte Saal wurde umgebaut. Mitten im Raum eine Runde Arena, rings herum das ganze Publikum. Mystische Musik und Licht, ein raffiniertes System von Lampen die sich auf und ab bewegten.
Dann kommt Ben Hart und erzählt die Geschichte seiner indischen Familie, die Wurzeln seiner Zauberkunst. Er versucht ohne sichtbare Requisiten auszukommen. Generische Gegenstände die nicht nach Zauberei riechen. Präsentiert werden Klassiker wie den Hindufaden, die verketteten Eheringe, Kartenverkleinerung, verschwindender Vogelkäfig, Daumenfessel und andere Klassiker. Verbunden werden diese Geschichten durch eine monoton klingende Geschichte, die sich durch den Abend zieht. Großartige Präsentation und sehenswert, doch der Anspruch, den er sich selbst setzt, wird er nicht gerecht. Da alle Effekte umringt vorgeführt werden auf dieser Bühne und er alle Zuschauer integrieren möchte. Bleiben bei Kunststücken, bei denen man gerne genau hinschaut, sehr viel verborgen die eigentliche Klarheit benötigen. Die verketteten Fingerringe verlieren viel an seiner Magie. Aber es war sehenswert. Auch hier gab es – wie bei jedem sehenswerten Programm – unterschiedlichste Meinungen unter dem Publikum, die dann intensiv bei einem Bier besprochen teilweise leidenschaftlich besprochen werden.
Die Abendshow war die seit 20 Jahren erfolgreiche Show von Mac King aus Las Vegas. Eine Show die Mac King der Comedian aus Kentucky nun 10.000-mal vorgeführt hat. Das merkt man der Show an. Er ist ein Profi durch und durch und kann mit jeder Panne, jedem auch noch so unkooperativen Zuschauer umgehen. Gags, die scheinbar spontan entstehen sind geplant. Ich habe die Show bereits 4-mal in Las Vegas gesehen. Er hat ein tolles familienfreundliches Showkonzept. Er tritt 5 Tage die Woche je zweimal am Nachmittag an. Hat also jeden Abend frei. Eine Situation, die man hat, wenn man einen Bürojob hat.
Das Publikum liebt Mac King und er genießt es offensichtlich vor 2.000 begeisterten Zauberern aufzutreten. Eine Show die sich im Lauf der Jahrzehnte geschliffen hat.
Mac King ist für mich ein Beispiel, dass man eine Show, wenn sie sich eingespielt hat, spielen muss und nicht bereits an etwas Neuem arbeiten sollte. Sie wird immer besser und für das Publikum in Vegas, die ihn sehen ist immer alles neu.
Künstlerisch und persönlich muss man damit leben können jeden Tag zweimal über 20. Jahre dasselbe Programm zu machen. Deshalb sollte man auch mit Künstler wie Ben Hart, die jährlich eine neue Show kreiert, weil es ihn sonst nach einem Jahr sonst künstlerisch langweilt.
Ein Lebensmodell, über das jeder Künstler selbst entscheiden muss.
Warum Moral bei anderen zu kritisieren leichter ist wie diese selbst zu leben.
Großer Aufreger bei manchen Zauberkollegen ist, dass Mac King mit Tieren zaubert.
Sein Goldfischtrick und sein Meerschweinchen Kunststück sind bereits 1 Stunde später der Aufreger auf Facebook und Instagram. Ich brauche diese Effekte auch nicht, aber ich kann damit leben. Ich mag diese moralische Schulmeisterei nicht, mit der manche darüber urteilen. Es ist auch scheinheilig, denn dieselben Leute, die dies verurteilen sieht man hier bei Fish and Chips oder Grillhühnchen sitzen. Da ist es völlig egal, dass der Fisch am Teller qualvoll auf einem Fischerboot erstickt ist, dass die günstigen Hamburger das Resultat von einer Tierindustrie sind, die unter den unglaublich grausamsten Bedingungen Fleisch produzieren. Das ist alles egal, aber wenn ein Meerschweinchen erscheint, dann muss man darüber urteilen. Es würde vielen gut stehen sich einmal selbst an der Nase zu nehmen, bevor sie über andere urteilen. Wenn ich die Wahl hätte, ich würde lieber Meerschweinchen bei Mac King sein wie das Huhn auf dem Teller der Kritiker.
Den Abend beschließen wir wie immer in Pub Ruskin, wo eng gedrängt die Kongressbesucher schales Bier trinken und den Tag besprechen.
Um 2:00 geht’s ins Bett, ja und zuerst noch diesen Bericht gemacht. Ich bitte um Verzeihung, dass da vielleicht manches etwas seltsam klingt und meine Legasthenie sich nicht ganz verheimlichen lässt….
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